550 Jahre Wissenschaft in Ingolstadt

Wissenschaftsstandort Ingolstadt

Wissenschaft, Forschung und Lehre am Standort Ingolstadt blicken nicht nur auf eine lange Historie zurück, sondern spielen auch im Hier und Jetzt eine unentbehrliche Rolle im Stadtleben. Das Herzstück des Wissenschaftsstandortes bilden dabei die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Technische Hochschule Ingolstadt als lokal ansässige Hochschulen.

Die Technische Hochschule Ingolstadt ist eine der forschungsstärksten Hochschulen Deutschlands und gleichzeitig die akademische Heimat von mehr als 6.500 Studierenden und 750 Mitarbeitenden. Als Teil der Hightech-Agenda des Freistaats Bayern baut sie ein Zentrum für Künstliche Intelligenz auf und wird dort mit knapp 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Methoden der Künstlichen Intelligenz an den Schnittstellen zu Handel, Gesundheit, Produktion und Mobilität erforschen. Im Rahmen des bayernweiten KI-Netzwerks bildet Ingolstadt den zentralen Netzwerkknoten für das Themenfeld Mobilität. Mit dem CARISSMA (Center of Automotive Research on Integrated Safety Systems and Measurement Area) Forschungszentrum und dem dazugehörigen Außengelände nimmt die THI schon heute eine bundesweite Leitrolle im Bereich der Fahrzeugsicherheitsforschung ein. Durch die räumliche Nähe der Technischen Hochschule und ihrer Institute zum Digitalen Gründerzentrum der Region brigk im Kavalier Dalwigk entsteht ein Raum für Innovationen – als Anlaufstelle, Treffpunkt und Heimat für Entrepreneure und Kreative, digitale Nomaden und Start-ups.

Mit der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (WFI) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt befindet sich am Standort Ingolstadt ein Campus der beliebtesten Universität Deutschlands. Die 22 Lehrstühle der WFI sind hier mit der Forschung und der Betreuung der knapp 1.000 Studierenden betraut. Hier sind auch das KU Research Institute for Taxation und das KU Research Institute for Business and Economics in Service of Humanity als forschungsstarke Institute angesiedelt. Neben der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät wird zukünftig auch das Ethikzentrum der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in den historischen Räumen des Georgianums ein Zuhause finden.
Damit schärft sich wiederholt das inhaltliche Profil der Universität am Standort mit den Themen Betriebswirtschaftslehre, Digitalisierung, Ethik und Psychologie.

Die Stadt und ihre Hochschulen sind seit deren Bestehen eng miteinander verflochten und profitieren sowohl im regelmäßigen Austausch als auch in gemeinsamen Projekten voneinander. In einer Vielzahl von Initiativen engagieren sich beide Hochschulen und die Stadt Ingolstadt gemeinsam und bearbeiten dabei Themen wie die Mobilität der Zukunft, Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz. Im Projekt „Mensch in Bewegung“ wird neben der Exzellenz der wissenschaftlichen Arbeit an den beiden Hochschulen ein großer Fokus auf die Relevanz der Forschung für die Bürgerinnen und Bürger gelegt. Die beiden Hochschulen nutzen ihr unterschiedliches Kompetenzprofil, um Themen wie Klimawandel, Digitalisierung und soziale Ungleichheit zu bearbeiten und die Interaktion zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Bürgerschaft und Politik zu verstärken. Hierzu entstand in der Ingolstädter Altstadt die Wissenschaftsgalerie als physischer Treffpunkt der verschiedenen Akteure.

Im Rahmen der städtischen Urban Air Mobility-Initiative wurden zusammen mit den Hochschulen unterschiedliche Anwendungsszenarien des Innovationsfeldes Drohnen und unbemannte Luftfahrt erforscht und weiterentwickelt. In den Projekten der Initiative GABi, FreeRail, MEDinTime und InCity TakeOff war und ist dabei neben der wissenschaftlichen Exzellenz auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein zentrales Element. Doch auch die intelligente und vernetzte Mobilität am Boden ist ein wichtiger Forschungsgegenstand der Ingolstädter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In einer Vielzahl von Aktivitäten untersuchen die Forschenden, wie Produkte und Dienstleistungen im Mobilitätssektor nutzerfreundlicher, sicherer und digitaler werden können. Exemplarisch hierfür sind die beiden Projekte KIVI und SAVeNoW. Im Rahmen des Projekts KIVI werden moderne, datenbasierte Verfahren in einem Testfeld entwickelt und getestet, um den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit zu optimieren. Im Projekt SAVeNoW werden der Aufbau und Betrieb eines digitalen Zwillings für den urbanen Verkehr in Ingolstadt erforscht, mit dem komplexe Fragestellungen über das Verkehrssystem in Ingolstadt beantwortet werden können. Künftig wird der Standort durch die Ansiedlung weiterer Unternehmen, u.a. im Bereich Digitalisierung wie beispielsweise die Niederlassung der CARIAD als Softwareentwicklung des VW-Konzerns, am neu gegründeten IN-Campus geprägt, wodurch das Potential für Forschungskooperationen mit der Industrie zunimmt.

Die ansässigen Hochschulen stellen für die Stadt Ingolstadt eine unschätzbare Ressource dar. Sie ziehen Talente an und sind ein Nährboden für innovative Ideen und Geschäftsmodelle. Gleichzeitig machen sie unsere Stadt lebendiger, moderner und offener. Unsere Hochschulen haben die Werkzeuge, um sich den drängenden Problemen unserer Gesellschaft anzunehmen.


Wissenschaftspreise der Stadt Ingolstadt

Die Stadt Ingolstadt hat mit der Exzellenzstiftung Ingolstädter Wissenschaft – Ignaz Kögler und dem Johann-Helfenzrieder-Transformations-Preis zwei Instrumente geschaffen, um Spitzenforschung am Standort Ingolstadt und deren wirtschaftliche Verwertung aktiv zu fördern.

Der Johann-Helfenzrieder-Transformations-Preis unterstützt Gründerinnen und Gründer aus dem Hochschulumfeld, Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Er hilft, eine Finanzierungsbasis für die Unternehmensgründung oder Beteiligung von Investoren herzustellen. Der Preis wird alle zwei Jahre auf Vorschlag einer Fachjury durch den Stadtrat der Stadt Ingolstadt verliehen.
Die Exzellenzstiftung Ingolstädter Wissenschaft – Ignaz Kögler hat das Ziel anwendungsorientierte Spitzenforschung am Standort Ingolstadt nachhaltig zu unterstützen. Dafür vergibt die Stiftung jährlich ein Stipendium für ein Senior Fellowship, das exzellenten auswärtigen Forscherinnen und Forschern im Rahmen eines Forschungsfreisemesters ermöglicht, gemeinsame Forschungsprojekte an den Ingolstädter Einrichtungen und Hochschulen durchzuführen.
Das Research Summer Camp bietet Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus der ganzen Welt die Möglichkeit am Standort Ingolstadt mit Fachleuten aus Industrie und Wissenschaft in Austausch zu treten. Die Ergebnisse aus den Stipendien der Exzellenzstiftung Ingolstädter Wissenschaft werden stadtöffentlich vorgestellt.

Im Rahmen des Jubiläumsjahres 550 Jahre Hohe Schule zu Ingolstadt werden die Wissenschaftspreise der Stadt Ingolstadt eine besondere Rolle einnehmen. Nähere Informationen hierzu finden Sie auf der Website des Jubiläumsjahres.

Rückblick auf 328 Jahre Universität in Ingolstadt

Als am 26. Juni 1472 die erste Universität Bayerns in Ingolstadt gegründet wurde, war sie die elfte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Rasch zählte sie 600 Studenten und 40 Doktoren und Magister, gehörte bis zum 30-jährigen Krieg (mit Leipzig, Erfurt, Wittenberg und Köln) zu den „großen deutschen Universitäten“ (mit mehr als 400 Studenten).

Die Studenten kamen zunächst aus umliegenden Regionen, als sich dann der Ruf der Universität herumsprach, strömten ihr Studenten aus den osteuropäischen Ländern und zunehmend auch aus Regionen mit alteingesessenen Universitäten zu. Die Matrikel belegt, dass Franzosen, Spanier, Schweizer und Engländer als Studenten wie Dozenten nach Ingolstadt kamen.

Die Bayerische Landesuniversität bewies rasch, dass sie machtvoll im europäischen Geistesleben mitzureden im Stande war. Kein geringerer als der deutsche Erzhumanist Konrad Celtis setzte mit seiner berühmten Rede von 1492 vor Professoren und Studenten ein Fanal des Humanismus in Deutschland.

Gelehrte europäischen Formats leisteten dem im Entstehen begriffenen (bayerischen) „Nationalstaat“ unschätzbare Dienste. Der Abensberger Aventin wurde zum (ersten) Historiker des Landes, schilderte in scharfer Charakterisierung die „Art“ der Bayern bildenden Stämme. Er verließ sich nicht auf Geschichten und Legenden; er bestieg sein Pferd, ritt zwei Jahre durch das Land, durchforstete Archive und prüfte Inschriften. So entstand bis 1521 das erste kritische Geschichtswerk, das jemals in Deutschland geschrieben wurde: die Annales ducum Boiariae.

Peter und Philipp Apian

Wichtiger noch waren Philipp Apians „Bayerische Landtafeln“. Der Mathematiker und Geometer bereiste jahrelang mit Winkelmaß und Messlatte selbst die entlegensten Gegenden. Er vermaß und verzeichnete das Land in einem ebenso wissenschaftlich exakten wie künstlerisch anspruchsvollen Werk. So konnte sich Bayern rühmen der erste Staat der Welt zu sein, der über auf genauer trigonometrischer Messung beruhende Karten verfügte.

Philipps Vater Peter Apian war Hofmathematiker Kaiser Karls V. und einer der berühmtesten Mathematiker und Astronomen der Zeit, Schöpfer der Astronomicum Caesareum 1540, eines Wunderwerks der Druckkunst wie der Kenntnis des Himmels und seiner Körper, dargestellt in beweglichen Scheiben, gewissermaßen der Ausgangspunkt einer Schule der Spitzen-Astronomie mit den Jesuiten Christoph Scheiner und Johann Baptist Cysat, die vom Turm der Hl.–Geist–Kirche 1611 die Sonnenflecken entdeckten (worüber Scheiner mit Galileo Galilei in einen Prioritätenstreit geriet).

Scheiner war der Prototyp des naturwissenschaftlichen Universalgenies – ein begnadeter Erfinder, etwa des Storchenschnabels, des ersten Vervielfältigungsgeräts der Welt, zur Vergrößerung oder Verkleinerung von Bildern. Bemerkenswert sind seine Studien zur Optik und ein bis heute noch verwendetes Augenoperationsverfahren.

Auf anderer Ebene:

Ohne den (kurzzeitig) nach Ingolstadt berufenen Johannes Reuchlin wären unschätzbare jüdische Kulturgüter verloren gegangen. Eiferer hatten gefordert, alles jüdische Schrifttum einschließlich der Thorarollen zu verbrennen. Der erbitterte Streit fand jedoch seine Verteidiger in Ingolstadt, das zu einem Ausgangspunkt der Hebraistik in Deutschland wurde.

Als die Universität ins Leben gerufen worden war, hatten es die bayerischen Herzöge darauf angelegt, wissenschaftlich geschultes Personal auszubilden, um ihnen bei der „guten Verwaltung“, der Zukunftsentwicklung des Landes zu helfen. Oft waren es die Fürsten, die das Land auf Wandel und künftige Herausforderungen einzustimmen bereit waren (und der hohe Adel, zufrieden in seinen Privilegien eingerichtet, opponierte). Die Universität brachte für die Herzöge dieses qualifizierte Verwaltungspersonal hervor.

Eine Wendung nahm die Universitätsgeschichte mit Martin Luthers Aufbegehren. Sein großer Gegenspieler war der Ingolstädter Johannes Eck, ein beschlagener Theologe, der früh erkannte, dass es Luther nicht einfach um Reformen ging, sondern um einen Angriff auf die überlieferte Struktur der Kirche und ihn mit überlegener dialektischer Gewandtheit und kühler Berechnung in der Leipziger Disputation 1519 zum Bruch mit der alten Kirche trieb.

Es war Eck, der 1520 nach Rom reiste und die Bannandrohungsbulle Papst Leos X. „Exsurge Domine“ zurückbrachte und in Ingolstädter drucken ließ.

Über die auch handfesten gegenseitigen Beleidigungen der ersten Reformationszeit hinaus entstand in jesuitischer Zeit eine Schule der internationalen Spitzentheologie mit – an der Spitze – Gregor von Valencia, dem glänzendsten Theologen nach dem Tridentinum, den man den doctor doctorum nannte, weil er Lehrmeister einer ganzen Generation von Theologen war. Der große Moraltheologe der Zeit war Paul Laymann, dessen Rat von vielen gesucht wurde wie etwa von Kaiser Ferdinand II., der zusammen mit dem späteren Kurfürsten Maximilian in Ingolstadt studierte. Die Hohe Schule wurde zur geistigen Rüstkammer der Gegenreformation.

Die Jesuiten waren auf Wunsch Herzog Wilhelm IV. mit (dem Heiligen) Petrus Canisius an der Spitze an die Universität gekommen. 1555 kam die zweite Welle und bildete die große Ordensniederlassung, die 200 Jahre lang Pflanzschule des Ordens für ganz Deutschland war. Die Zahl herausragender Jesuiten-Professoren ist Legion. Einige wurden in die akademisch-intellektuell überaus fordernde China-Mission entsandt, stiegen in höchste Mandarin-Ränge auf, wurden Direktoren der Kaiserlichen Sternwarte in Peking und politische Schwergewichte der chinesischen Administration, wie Kaspar Castner oder Ignaz Kögler. Aus den Missionsgebieten des Ordens bezog Ferdinand Orban einen Teil der Exponate seines „Museums“, das die große Attraktion der Universität war und Besucher aus ganz Europa anzog. Zu sehen waren völker- und naturkundliche Objekte, mathematisch-physikalische Instrumente, Waffen, Bücher – und die Hirnschale Oliver Cromwells, ferner 125 Gemälde: Rembrandt, Dürer, Rubens, Tizian und Michelangelo.

Literatur wurde in der Universität vielfältig gepflegt und gefördert. Celtis natürlich, sein Schüler Locher, auch Vitus Jacobaeus waren kaiserlich gekrönte Dichter – Vorform des Literatur-Nobelpreises. Das Jesuitentheater – ohne das deutsche Theatergeschichte nicht denkbar wäre – wurde hochklassig mit den drei Jakobs – Gretser, Balde, Bidermann – entwickelt: eine eindrucksvolle Bühne zur Verkündung des Glaubens.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war das Niveau der Universität deutlich zurückgegangen.

Es gab zwar einige (über Bayern hinaus) bekannte Juristen, die Theologen aber hatten sich in einem unzeitgemäß fortwirkenden gegenreformatorischen Diskurs von der Entwicklung abgekoppelt. Das galt auch für die „profanen Wissenschaften“ – erst 1752 durften sich Professoren (offiziell) Werke nicht-katholischer Autoren besorgen und im Vorlesungsbetrieb verwenden.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts setzte in Ingolstadt mit Johann Adam Freiherr von Ickstatt ein neues Wissenschaftsverständnis ein, gewissermaßen ein Ausbruch aus dem selbstverordneten „geistigen Ghetto“.
Allerdings gingen die Eiferer unter den Adepten Ickstatts gelegentlich zu weit –

und letztendlich führten ihre Positionen dazu, dass Ingolstadt die Universität verlor.

Schon zuvor hatten die Mediziner (noch unter Kurfürst Max Emanuel) sich ein naturwissenschaftliches Institut errichtet: die 1723 – 1735 entstandene Alte Anatomie mit großem medizinischem Amphitheater, aber auch Übungsräumen für Chemie und Physik – ein Institut samt botanischem Garten, das in Deutschland nicht seines gleichen hatte.

Die zu überschreitende Schwelle war das Wagnis, von der papierenen Debatte zum Experiment am lebenden Objekt überzugehen. Experimentalunterricht und Lehrsammlungen trugen zu (mehr) praxisorientierter, naturwissenschaftlicher Forschung bei; Heinrich Palmatius von Leveling – Chirurg und Lehrer der Anatomie – führte (1784) im Ingolstädter Militärspital die erste bayerische „Klinik“, in der Studenten tatsächlich ans Krankenbett geführt wurden. Sein Schüler Anton Joseph Will wurde zum Begründer der Veterinärmedizin in Bayern. Es entstanden Lehrstühle für Agronomie, Land- und Forstwirtschaft. Wobei man sich auch um Bergbaukunde, Pflanzenkunde und Städtebau kümmerte: eine neue Phase der Vorstellung der Wissenschaft als Hilfe zur Landesentwicklung.

In diese Zeit fällt die gesondert zu betrachtende Gründung (1776) des akademischen Geheimbunds der Illuminaten (durch Kirchenrechtsprofessor Adam Weishaupt, ein Patenkind des Universitäts-Direktors Ickstatt, soviel nur zum Nepotismus der „Aufklärer“). Auf diese Zeit zurückschauend entsteht der Roman der englischen Schriftstellerin Mary Shelley (1818) „Frankenstein oder der moderne Prometheus“, die Ingolstadt zum Ort wählte, an dem der Student Victor Frankenstein seine „Kreatur“ zum Leben erweckt. So viel zur literarischen Fiktion.

Tatsache ist:

Die Universität Ingolstadt war in vollen Zügen dabei, sich neu aufzustellen, wie der Aufklärer Johannes Pezzl feststellt. Vieles sei getan worden, die Universität zu verbessern; es seien „für einige Zweige der juristischen und medizinischen Forschung neue Lehrstühle errichtet, neue Lehrer für Sprachen und Leibesübungen angestellt worden“. Auch die Professorenschaft sei geeignet und bemüht. Der Hauptfehler stecke darin, dass es für die Universität als Umfeld keinen Hof, keinen Adel, keine Lebensart, kurz: keinen Stil gebe.

Den wahren Grund für die Abhalfterung Ingolstadts lieferte der aufklärerische Eiferer Professor Nikolaus von Gönner: Nicht alle hier, schreibt er, seien „Freunde des Lichts“ – will heißen, der Aufklärung. Zu leicht könne in Ingolstadt der „Obskurantismus“ wieder die Oberhand gewinnen. Welch ein „aufgeklärter“ Professor.

So verlegte man die Universität 1800 nach Landshut und schließlich von dort 1826 weiter nach München, wo sie zur heutigen Ludwig-Maximilians-Universität heranwuchs. 328 Jahre war Ingolstadt das universitäre Zentrum Bayerns gewesen. München wird bis zum Jahr 2156 warten müssen, um die vergleichbare Zahl an Universitätsjahren aufweisen zu können.

Das Pfründnerhaus - die spätere Hohe Schule

Die Hohe Schule gehört zu den markantesten spätmittelalterlichen Bauten der Ingolstädter Altstadt. Die Stadt mit ihrem kathedralartigen, doppeltürmigen Münster, dem Neuen Schloss, das bei seiner Erbauung alle anderen Residenzen in Bayern übertraf, der „hunderttürmigen“ Stadtmauer und dem imposanten Universitätsgebäude, der sogenannten „Hohen Schule“, veranschaulicht noch heute in mustergültiger Art und Weise eine seinerzeit moderne, spätmittelalterliche Hauptstadt. Allerdings haben regnum, sacerdotium und studium erst zusammengefunden, als die Ingolstädter Herzogslinie 1447 mit Ludwig dem Bärtigen bereits erloschen war.

Herzog Ludwig der Bärtige hatte das Gebäude 1434 als „Pfründnerhaus“ für 15 „pauperes Christi“ errichtet, die als arme Menschen für das Seelenheil des Stifters und seiner Angehörigen beten sollten. Es gehörte zu einer umfangreichen Stiftung im Zusammenhang mit seiner geplanten Grablege im nahegelegenen Münster „Zur Schönen unserer Lieben Frau“. Nach dem Erlöschen des Ingolstädter Herzogshauses war das Gebäude ab 1472 in der Universitätsstiftung des Landshuter Herzogs Ludwigs des Reichen (1450-1479) aufgegangen.

Die von der Universität genutzten Gebäude verteilten sich zwar über die ganze Stadt. Im Umfeld der Hohen Schule konzentrierten sich jedoch im Laufe der Zeit wichtige Baulichkeiten. Sie sind bis heute so weitgehend erhalten geblieben, dass Ingolstadt den Vergleich mit keiner anderen alten Universitätsstadt scheuen muss. Zu nennen sind beispielsweise das unmittelbar benachbarte Georgianum, das Kamerariat, das Münster als „templum academicum“, das Jesuitenkolleg, die Adlerburse, die Professorenhäuser vor allem in Theresien- und Ludwigstraße oder die Alte Anatomie.

Nach einem größeren Umbau bis spätestens 1477 standen die für die Lehre notwendigen Hörsälen zur Verfügung, die nach den Gelehrten Plato, Aristoteles, Boetius, Avicenna, Seneca und Albertus Magnus benannt waren. 1481 wurde der Hörsaal Boetius geteilt, um einen Raum für die Mediziner zu schaffen. Er wird mit dem kreuzgratgewölbten Raum in der Südostecke des Erdgeschosses der Hohen Schule identifiziert. Heute ist er wegen seiner spätgotischen Malereien als „Freskenraum“ bekannt. Im Rahmen des Universitätsjubiläums wird er öffentlich zugänglich sein und als Ausstellungsraum genutzt. Neben den Rankenmalereien an der Decke ist vor allem das Äskulap-Fresko bekannt, das eine Szene aus der Sage des antiken Gottes der Heilkunst wiedergibt. In der Nordwestecke des Gebäudes befand sich eine zweistöckige Kapelle, die der Heiligen Katharina von Alexandrien geweiht war. Sie ist jedoch nur noch im großen Stadtmodellen Jakob Sandtners aus dem 16. Jahrhundert an ihren Fensteröffnungen erkennbar.

Besonders bemerkenswert ist der mächtige Dachstuhl des Gebäudes. Die aufwändige Konstruktion stammt noch aus dem Spätmittelalter. Wegen zu geringer Querversteifung mussten im Jahr 1510 Hilfskonstruktionen eingebaut werden. Aber erst um 1750 wurde es wegen Einsturzgefahr notwendig, wichtige Teile des Dachwerks in größerem Umfang auszutauschen. Diese mit großem Sachverstand ausgeführten Arbeiten ermöglichten seinen Fortbestand bis zum heutigen Tag.

Bis 1800 blieb die Hohe Schule Sitz der Bayerischen Landesuniversität. Danach wurde sie bis weit ins 20. Jahrhundert überwiegend als Schulhaus genutzt. In den 1930er Jahren erfolgte ein Umbau in zum Teil historisierenden Formen. Federführend war der bekannte Ingolstädter Baurat Franz Schwäbl. Damals rekonstruierte man den markanten Dachreiter. Weiterhin stammen die Türen und die Treppe aus dieser Zeit. Wenig später, 1939, wurde der Mittelgang des Erdgeschosses zu einem Luftschutzraum umgebaut. Diese jüngsten Spuren der langen, wechselvollen Geschichte des Hauses wurden jedoch bei der umfassenden Renovierung der Hohen Schule in den 1990er Jahren wieder entfernt.

Innenraum der Hohen Schule

Innenraum der Hohen Schule

Innenraum der Hohe Schule
Treppenhaus der Hohen Schule

Treppenhaus der Hohen Schule

Fresko Hohe Schule

Fresko Hohe Schule

Hohe Schule Innenaufnahmen

Hohe Schule Innenaufnahmen

Marabubrunnen bei der Hohen Schule

Marabubrunnen bei der Hohen Schule

Die Hohe Schule in der Goldknopfgasse

Die Hohe Schule in der Goldknopfgasse

Adresse:

Hohe Schule
Goldknopfgasse 7
85049 Ingolstadt

Collegium Georgianum

Der Bau des Collegium Georgianum ging unmittelbar mit der Gründung der ersten Bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt einher. Der niederbayerische Herzog Georg der Reiche stiftete das Kollegiengebäude im Jahr 1494 als Stipendiumstiftung für ein Priesterseminar. Das mehrstöckige Bauwerk mit seinen später hinzugekommenen Anbauten steht gegenüber der Hohen Schule und wird derzeit unter denkmalrechtlichen Gesichtspunkten von der Ingolstädter Kommunalbauten GmbH & Co KG (INKoBau) saniert. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wird das Kollegiengebäude durch die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt wieder universitär genutzt. Die ehemalige Kapelle St. Peter und Paul wird teilweise von ihren Zwischendecken befreit und steht dann als Veranstaltungssaal zur Verfügung. Die großzügige Fasshalle belebt eine Gastronomie und erinnert an die Brauereinutzung und an das Bayerische Reinheitsgebot von 1516.

Mit der Legung einer Zeitkapsel am 10. April 2019 wurde die Sanierung des Georgianums eingeläutet. Alt-Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel versprach „Wir holen das Georgianum aus dem Dornröschenschlaf, denn schließlich stellt das Georgianum – wie kein anderes Gebäude der Stadt Ingolstadt – die Geschichte unserer Heimatstadt über die Jahrhunderte hinweg dar“.

Bereits während der Voruntersuchungen zur Sanierung wurde ein bedeutender Fund gemacht: Ein kleiner, über Jahrzehnte unbeachteter Raum wurde als Karzer identifiziert, eine Arrestzelle der damaligen Universität. Nach dem derzeitigen Stand ist davon auszugehen, dass der im Georgianum entdeckte Raum der älteste bekannte Karzer in Deutschland ist.
Und immer wieder kommt weitere historische Bausubstanz im Innern des Georgianums ans Tageslicht und neue archäologische Fundstellen tun sich auf. So befindet sich im Erdgeschoss, bereits 20 cm unter der Geländeoberkante ein Lehmstampfboden. Die Archäologen vermuten aufgrund von Spuren von Verziegelung eine Feuerstelle. Unter diesem Lehmstampfboden wurde ein sogenannter Humushorizont des 15. Jahrhunderts angetroffen. Nebenan gibt es gleich in mehreren Lagen übereinanderliegende Fußböden und eine bis dahin unbekannte Mauerstruktur aus Kalkstein und Ziegelbruch.
In einem weiteren Raum wurde wenige Zentimeter unter der Geländeoberkante ein etwa 1,5 qm großes Ziegeltonnengewölbe entdeckt. Lage und Ziegelformat lassen auf eine brauereizeitliche Entstehung (um 1830) schließen. Dieses Gewölbes deckt einen über drei Meter tiefen Brunnen ab, der vor der Bauzeit des Georgianums entstand.

Diese Funde, die von den Archäologen mittels Fotografie und Fotogrammetrie dokumentiert werden, verzögern und erschweren so manche der anstehenden Baumaßnahmen. Durch konsequente Umorganisation einzelner Arbeitsschritte kommt die umfangreiche Sanierung des Gebäudeensembles trotzdem voran.

Die Sanierungsarbeiten des Georgianums benötigen eine umfangreiche Sicherung der Baustelle. Die Tatsache, dass das Georgianum als Baudenkmal nationaler Bedeutung eingestuft ist und prominent mitten in der Altstadt steht, veranlasste INKoBau zu einer Zusammenarbeit mit dem Ingolstädter Fotografen und Grafiker Marc Köschinger. Der Künstler übernahm die Verschönerung der Umzäunung, um aus einem sonst oftmals schnöden Bauzaun eine eindrucksvolle Dokumentationswand zu gestalten.
Marc Köschinger hat die Räume des Georgianums vor der Sanierung ausgiebig fotografiert. Viele der Fotografien, die das Stadtmuseum Ingolstadt auch in einem Buch über das Georgianum veröffentlicht hat, sind auf dem mehr als 70 Meter langen Zaun ausdrucksstark in Szene gesetzt. Informative Texte und Fakten zur Geschichte runden das künstlerische Konzept der Dokumentationswand ab.

Georgianum Goldknopfgasse

Georgianum Goldknopfgasse

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Georgianum Hohe-Schul-Straße

Collegium Georgianum

Collegium Georgianum

Die Innenräume des Georgianum mit Dachstuhl, Kappelle und Wohnräumen.
Collegium Georgianum

Collegium Georgianum

Die Innenräume des Georgianum mit Dachstuhl, Kappelle und Wohnräumen.
Collegium Georgianum

Collegium Georgianum

Die Innenräume des Georgianum mit Dachstuhl, Kappelle und Wohnräumen.
Collegium Georgianum

Collegium Georgianum

Die Innenräume des Georgianum mit Dachstuhl, Kappelle und Wohnräumen.
Kellergewölbe im Collegium Georgianum

Kellergewölbe im Collegium Georgianum

Karzer im Collegium Georgianum

Karzer im Collegium Georgianum

Adresse:

Collegium Georgianum
Hohe-Schul-Straße 5
85049 Ingolstadt


  • Einweihung Carissmahalle © Stadt Ingolstadt / Roessle
  • Einweihung Carissmahalle © Stadt Ingolstadt / Roessle
  • Drohne von BEE appliance © Stadt Ingolstadt / Roessle
  • Audi vernetzt erstmals neue Modelle mit städtischen Ampeln © Stadt Ingolstadt / Roessle